Zytokineffekt bei fieberhaften Erkrankungen und dessen Auswirkungen auf die Medikation

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bitte bedenken Sie in der jetzigen Situation, dass es bei einer Infektionskrankheit mit Fieber und korrelierend mit einem Anstieg des CRP durch Cytokine zu einer Hemmung des Abbaus von bestimmten Medikamenten mit einem Anstieg der Wirkstoffkonzentrationen im Blut kommen kann.
Ein erhöhter Medikamentenspiegel steigert die Gefahr unerwünschter Arzneimittelwirkungen mit z. B. Vigilanzstörungen, erhöhtem Delir- und EPMS-Risiko.
Bei fieberhaften Infektionen mit CRP-Anstieg ist also an eine potenziell notwendige Reduktion der Medikamentendosierungen zu denken! Bestimmte Antibiotika mit Hemmeffekt auf CYP-Enzyme wie Ciprofloxacin oder Clarithromycin können den Spiegelanstieg noch zusätzlich verstärken.
Bei Medikamenten wie Clozapin und Olanzapin sowie Duloxetin ist ebenfalls zu bedenken, dass das Pausieren oder Reduzieren des Rauchens normaler Zigaretten (nicht E-Zigaretten) während eines Infektes ebenfalls - durch Deinduktion von CYP1A2 - zu einem Anstieg des Spiegels bis zum Doppelten oder gar Dreifachen führen kann. Diese Patienten sind besonders gefährdet in Bezug auf eine Intoxikation.
Von einem Spiegelanstieg bei Fieber betroffen sind nachgewiesenermaßen Medikamente wie Clozapin (!), Risperidon, Quetiapin. Aber auch andere Substanzen sowie internistische Medikamente, z. B. auch Theophyllin, könnten dadurch betroffen sein, so dass auf Vigilanz, EPMS, Blutdruck, Herzfrequenz, QTc-Strecke etc. gut zu achten ist.
Insbesondere bei Clozapin-Patienten, die Fieber haben, aber auch bei Risperidon (und evtl. Quetiapin) sollte überlegt werden, die Dosierung zu verringern. Eine feste Regel hierfür ist nicht aufstellbar, jedoch ist eine ca. 30-50%ige Reduktion zu empfehlen. Klinische Überwachung und Spiegelkontrollen sollten unbedingt durchgeführt werden (Talspiegel morgens vor der Einnahme).
Es sollte mit der Reduktion nicht auf das Spiegelergebnis gewartet werden, denn die Latenz von der Blutabnahme bis zur Übermittlung des Ergebnisses beträgt evtl. mehrere Tage und in dieser Zeit sind die Effekte der überhohen Medikamentenspiegel dann schon ausgeprägt vorhanden. Die Dosisreduktion sollte also erfolgen, sobald das Fieber und die CRP-Erhöhung auftreten.
Bei Depotpatienten ist im Einzelfall kritisch zu überlegen, wie derzeit vorzugehen ist. Das Depot ist nach Verabreichung über Wochen im Organismus wirksam, so dass die Dosis nicht mehr reduziert werden kann, wenn ein Patient Fieber bekommt. Die Überwachung ist daher bei einer Infektionserkrankung mit Fieber und CRP-Anstieg besonders sorgfältig vorzunehmen. Bei besonders gefährdeten Patienten ist eine Umstellung auf eine orale Gabe zu erwägen, jedoch sehr kritisch zu überdenken, da eine psychotische Exazerbation natürlich zu befürchten ist. Zudem ist einzukalkulieren, dass die Medikamentenspiegel bei Depotverabreichung niedriger sind als bei der oralen Gabe, also bei der Depotapplikation mehr „Luft nach oben“ ist.
Und gerade Patienten mit Psychose sind in der derzeitigen Situation teilweise durch die Coronavirus-Angst mehr belastet und neigen eher zur Dekompensation. Dies ist immer zu bedenken.
Vor der Umsetzung der angeführten Überlegungen und Empfehlungen ist unbedingt die Anwendbarkeit beim individuellen Patienten zu überprüfen.

Gabriel Eckermann (Externer Mitarbeiter am BKH Kaufbeuren) und Monika Singer (OÄ der PIA der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken, BKH Agatharied)

Medikamentenspiegel bei Fieber siehe auch:

Haack, M. J., Bak, M. L., Beurskens, R., Maes, M., Stolk, L. M., & Delespaul, P. A. (2003). Toxic rise of clozapine plasma concentrations in relation to inflammation. European neuropsychopharmacology : the journal of the European College of Neuropsychopharmacology, 13(5), 381–385. https://doi.org/10.1016/s0924-977x(03)00042-7

Hefner, G., Shams, M. E., Unterecker, S., Falter, T., & Hiemke, C. (2016). Inflammation and psychotropic drugs: the relationship between C-reactive protein and antipsychotic drug levels. Psychopharmacology, 233(9), 1695–1705. https://doi.org/10.1007/s00213-015-3976-0

Hefner, G., Shams, M. E., Unterecker, S., Falter, T., & Hiemke, C. (2016). Inflammation and psychotropic drugs: the relationship between C-reactive protein and antipsychotic drug levels. Psychopharmacology, 233(9), 1695–1705. https://doi.org/10.1007/s00213-015-3976-0