Hintergrund zum AMSP-Projekt


Weltweit sind etwa 5–10 % aller Krankenhausaufnahmen auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. Für Deutschland konnten UAW in 6,5 % der Fälle als Ursache von Vorstellungen in der Notaufnahme identifiziert werden [1]. Darüber hinaus treten UAW im Krankenhaus auf, beispielweise wenn Medikamente während eines stationären Aufenthalts neu begonnen oder umgestellt werden. Studien zufolge kommt es bei bis zu 10 % aller stationär behandelten Patienten im Laufe der Behandlung zu einer UAW [2, 3].

Psychopharmaka stellen bei vielen psychiatrischen Erkrankungen eine effektive Therapieoption dar und haben ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit in zahlreichen klinischen Studien unter Beweis gestellt. Besteht aus klinisch-ärztlicher Sicht bei einem an einer psychischen Erkrankung leidenden Menschen die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung, so sollte eine Therapie mit Psychopharmaka in die Wege geleitet werden. Die Entscheidung, welches Medikament im Einzelfall zur Anwendung kommt, bedarf einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren, wie beispielsweise Alter und Geschlecht des Patienten. Trotz ihrer anerkannten Wirksamkeit und Verträglichkeit, können Psychopharmaka eine große Bandbreite an UAW hervorrufen. Relativ häufig treten subjektiv belastende, medizinisch aber weitgehend harmlose UAW wie eine vorübergehende Müdigkeit zu Therapiebeginn auf. Bedeutsamer – wenngleich deutlich seltener – sind z. B. hormonelle oder Gewichtsveränderungen, Herzrhythmus- oder Bewegungsstörungen. In sehr seltenen Fällen kann es im Rahmen der Anwendung von Psychopharmaka auch zu potenziell lebensbedrohlichen UAW wie dem Serotonin-Syndrom oder dem malignen neuroleptischen Syndrom kommen [4].

Da Psychopharmaka oftmals über einen längeren Zeitraum angewendet werden, haben Sicherheit und Verträglichkeit einen besonders hohen Stellenwert. Beide Faktoren beeinflussen entscheidend, wie verlässlich ein Patient seine Medikamente einnimmt (sog. Adhärenz).

Wichtig ist, dass UAW strikt von Anwendungsfehlern (wie z. B. einer falschen Dosierung) zu unterscheiden sind. Jede Form der Arzneimitteltherapie ist von Natur aus mit einem gewissen Risiko für UAW behaftet. Dieses Risiko gilt es im Dialog zwischen Arzt und Patient gegen den Nutzen eines Medikaments abzuwägen. Tritt im Verlauf einer Arzneimitteltherapie eine UAW auf, so gibt es aus ärztlicher Sicht verschiedene Strategien, hiermit umzugehen. In manchen Fällen genügt bereits eine Dosisreduktion, in anderen Fällen muss das betreffende Medikament komplett abgesetzt und unter Umständen sogar eine spezifische Therapie der Nebenwirkung in die Wege geleitet werden. In jedem Fall aber sollte die als solche identifizierte UAW in der Patientenakte und im Entlassungsbericht dokumentiert und darüber hinaus für wissenschaftliche Zwecke in einer Datenbank erfasst werden.

Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie – AMSP.  DATENERFASSUNG: Im Rahmen des Projektes konnten bis dato > 500.000 Patienten durch geschulte Drug Monitore (DM) überwacht, Stichtagsdaten von ca. 180.000 Patienten erhoben und > 9.600 Fäl…

Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie – AMSP.  DATENERFASSUNG: Im Rahmen des Projektes konnten bis dato > 500.000 Patienten durch geschulte Drug Monitore (DM) überwacht, Stichtagsdaten von ca. 180.000 Patienten erhoben und > 9.600 Fälle von schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) erfasst werden. EVALUATION/WISSENSTRANSFER: Die UAW werden auf klinikinternen, regionalen sowie deutschlandweiten Fallkonferenzen diskutiert und bewertet. Die Ergebnisse des Projektes werden den Bundesbehörden sowie Herstellerfirmen gemeldet und der breiteren Öffentlichkeit z.B. in Form von Publikationen zur Verfügung gestellt. ANWENDUNG: Der Patient profitiert durch AMSP von einer erhöhten Arzneimittelsicherheit und verbesserten Behandlungsqualität. Zukünftig sollen weitere Bereiche und Berufsgruppen stärker in AMSP eingebunden werden.  

Die systematische Erfassung und wissenschaftliche Auswertung von UAW durch Psychopharmaka ist Ziel des Projekts Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP). Deutschlandweit nehmen 33 Kliniken an AMSP teil, hinzu kommen 21 Spitäler aus Österreich und der Schweiz. Die an den teilnehmenden Kliniken in Deutschland registrierten UAW-Fälle werden von AMSP gemäß den berufsrechtlichen Vorgaben der Bundesärztekammer an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weitergeleitet. Das BfArM leitet seinerseits alle Fallberichte an die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) sowie an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiter [5]. Zusammen mit den genannten Institutionen ist AMSP Teil des sogenannten Spontanmeldesystems, dessen Ziel es ist, Informationen über UAW der Ärzteschaft sowie der interessierten Öffentlichkeit in transparenter Weise zugänglich zu machen.

Literatur

  1. Schurig AM, Böhme M, Just KS et al. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) in der Krankenhausnotaufnahme — Prävalenz von UAW-Verdachtsfällen in vier Notaufnahmezentren in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 2018, 115: 251–258

  2. Ludwig WD, Schuler J (Hrsg.). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen als Grund für eine Krankenhausaufnahme. Arzneimittelbrief 2002, 36:94

  3. Thürmann P. Arzneimittelrisiken im Krankenhaus — klinische und ökonomische Konsequenzen. In: Patientenorientierte Arzneimittelversorgung. Hrsg.: von Eiff W. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2011

  4. Benkert O, Hippius H (Hrsg.). Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 12. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, 2019

  5. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Nebenwirkungen melden — Ein Leitfaden für Ärzte. 1. Auflage, 2019